„Paul IV und die Schröders“ – oder wie wichtig es ist, Vorurteile abzulegen
Die Theater-AG der Unter- und Mittelstufe am Gymnasium Weingarten überzeugte am 23. Juli 2019 mit einer schwungvollen Inszenierung von Andreas Steinhöfels Jugendbuch „Paul IV und die Schröders“. Das junge und frisch aufspielende Ensemble bot dem Publikum eine spannende Geschichte über die Ankunft der Außenseiterfamilie Schröder in einer beengten Kleinbürgersiedlung und eine anregende Botschaft zum Umgang miteinander in einer vielfältigen Gesellschaft. Der Applaus war groß.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht eines
vierzehnjährigen Jungen, Erbe einer Metzgerfamilie in vierter Generation und
dennoch – oder deshalb? – Vegetarier, der zurückblickt auf die Geschehnisse. Der
erwachsener Paul IV (souverän: Sarah Gissel) führt durch den Theaterabend und erzählt
seine Geschichte (sehr sicher in der Titelrolle: Isabel Binkert). Das Umfeld
der Familie, dem auch sein Freund Claus Tauchmann (lebendig: Nisa Eren)
entstammt, ist geprägt durch Wohlstand und bürgerliche Ordnung, die sich
schnell jedoch als starrsinnige Fassade entpuppt – deshalb tragen in der
Inszenierung die Erwachsenen alle Masken. Der Erfolg der Bewohner der
Ulmenstraße ist nur vordergründig. Banker Karl Döller hängt am Alkohol
(kraftvoll: Fabian Bell). Paul Walser Senior, Metzgermeister, interessiert sich
nicht wirklich für seinen Sohn (überzeugend: Sofia Bobic). Herr Markowski neigt
zur Cholerik (ausdrucksstark: Maria Crincoli). Und die Frauen lästern ungeniert
bei Kaffee und Kuchen über die gerade nicht Anwesenden (sorgten für etliche
Lacher: Mona Eiberle, Kathrin Neugebauer, Polina Pustovalova, Alexia Tausch, Albina
Pustovalova, Debora Yussef).
Auf dieses Milieu treffen nun Neuankömmlinge – die Familie
Schröder. Eine alleinerziehende Mutter, die zunächst niemand zu Gesicht bekommt
(stimmungsvoll dargestellt von Christina Comanescu), ihre vier ungewöhnlichen
Kinder, ein Hund und eine Python-Schlange. Erasmus Schröder (stark: Anne
Neugebauer) ist ein heller Kopf, der es mit Leichtigkeit auch mit dem
krawalligen und leider völlig unpädagogisch handelnden Lehrer Köster (sehr
eindrucksvoll, wie ein Paukenschlag: Robert Hanewald) aufnimmt. Sabrina
Schröder (überzeugend: Kathrin Neugebauer) hat die Gabe des Hellsehens, was in
den Augen der anderen nur für Irritationen sorgt. Dandelion Schröder (sicher:
Vivien Prem) malt gerne Löwenzahnbilder und muss wegen ihres Albinismus immer
eine Sonnenbrille tragen. Und Delphine Schröder (ihr Spiel zeugte von
Theatererfahrung: Julia Paulini) tritt, zur Überraschung vieler, selbstbewusst
auf und übernimmt Verantwortung für ihre ungewöhnliche Familie.
Die Ablehnung, die den Schröders aufgrund ihrer
Andersartigkeit von Beginn an entgegenschlägt, bestärkt Paul IV erst in seiner
Neugier. Dann ergreift er Schritt für Schritt immer deutlicher Partei – für die
Freiheit zu leben, wie man möchte, für die Vielfalt, und gegen die Erwartungen
und Zwänge seines engstirnigen Umfelds, das Anstand mit Ausgrenzung verwechselt
und Wertvorstellungen mit Vorurteilen. Sein Interesse für Delphine Schröder mit
den wunderschönen Chromaugen tut das Übrige. So kommt das Geheimnis der Familie
nach einer dramatischen Zuspitzung der Ereignisse ans Licht. Frau Schröder ist
schwer erkrankt, liebevoll steht sie zu ihren Kindern, die sich in dieser
schwierigen Situation auf bemerkenswerte Weise behaupten. Ohne moralisierend
aufzutreten macht die Geschichte dabei deutlich, worauf es beim menschlichen
Miteinander tatsächlich ankommt. Nämlich nicht auf Status, Urteil, Abgrenzung.
Sondern auf Empathie, Liebe, Vielfalt.
Unter der Regie von Bea Rapp und Pit Lanz konnte das
Ensemble freudvoll aufspielen. Inszenierung, Bühne und Requisite setzten
wichtige Akzente. Die technische Umsetzung verantworteten die
Oberstufen-Schülerinnen und -Schüler Fabian Geiselhart, Fabian Klatt, Maike
Müller und Eva Städele. Herzlichen Dank allen Beteiligten für diesen schönen
Bühnenabend, der einmal mehr nachwies, welch hohen Wert die gemeinschaftliche
Theaterarbeit von Schülerinnen, Schülern, Lehrerinnen und Lehrern am Gymnasium
Weingarten hat.
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